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23. April 2014

King Karl bittet zum kontemplieren

Kunst und Mode ziehen sich seit jeher gegenseitig an, gegenwärtig scheinen die Grenzen zwischen den Bereichen so zu zerfließen, dass sie kaum noch auszumachen sind. Der japanische Künstler Takashi Murakami feiert großen Erfolg mit seiner, für das Luxustaschenlabel Louis Vuitton, entworfenen Taschenkollektion. Olafur Eliasson gestaltet die Kulisse für die Präsentation der Herbst/Winterkollektion 2014 für den Designer Marc Jacobs. Viele große Modekonzerne haben eigene Kunstsammlungen, verleihen in Kooperation mit Kunstmuseen Kunstpreise und fördern junge Kunst.
Genauso lassen sich viele Modeschöpfer von Kunst inspirieren und arbeiten selbst an der Grenze zu dieser. Eines der prägnantesten Beispiele hierfür ist Karl Lagerfeld, der inzwischen seine Fühler in fast jeden Bereich der Gestaltung gestreckt hat. Seine Interessen sind so ärgerlich vielfältig, dass sie weit über die Kollektionen für seine eigenen Label „Karl“ und „Karl Lagerfeld Paris“ und für Chanel und Fendi hinausgehen. Nebenher verlegt er Bücher, fotografiert, malt, karikiert und gestaltet von Schmuck bis zum Interieur. Wie das geht? Wahrscheinlich mit nicht mehr als 3-4 Stunden Schlaf pro Nacht und wohl genährt von Mangostückchen, gedünstetem Fisch und literweise Cola Light. Darüber hinaus mit nicht abnehmenden Hang zum Perfektionismus, Disziplin und Liebe zu dem was man tut. So hat Lagerfeld sich selbst zur Kunstfigur stilisiert, immer mit weißem Zopf, dunkler Sonnenbrille und in schmal geschnittenen Anzügen. Sein Look ist sein Markenzeichen und sein Konterfei ziert von T-Shirt über Parfumflakon bis hin zur Colaflasche, oder man kauft ihn sich als knuddelige Stoffpuppe.
Zur Zeit findet im Museum Folkwang in Essen die Lagerfeld-Ausstellung „Parallele Gegensätze“ statt. Diese soll weniger eine Retrospektive seines Werkes, sondern mehr eine Momentaufnahme seines vielfältigen Schaffens sein. Konzipiert wurde die Ausstellung mit Lagerfeld selbst und wenn man ihr etwas nicht absprechen kann, dann die Vielfalt.
Beginnen tut die Ausstellung mit dem wohl besten Stück, einem nachgestellten Fragment von Lagerfelds Atelier. Schreibtisch, Stuhl, Zeichen- und Schreibutensilien und sogar Papier und Umschläge mit Lagerfelds eigenem Briefkopf. Drum herum Bücher, gestapelt auf dem Boden, in Tüten oder in Regalen. Was für Bücher? Weniger Belletristik als Bildbände von Ausstellungen und einzelnen Künstlern, teilweise noch eingetütet in Beutel des Guggenheim. Man betrachtet den Arbeitsplatz mit Ehrfurcht und gleichzeitigem voyeuristischen Vergnügen, this is where the magic happens. Lagerfelds Privatbibliothek umfasst angeblich 300.000 Bände.
Der Einfluss von Kunst bleibt auch in den nächsten Räumen sichtbar, Modefotostrecken als Hommage an diverse Maler. Diese erinnern an Collagen, im Vordergrund die abgelichteten Mannequins, im Hintergrund schlecht gemaltes Mobiliar, alles gedruckt auf Leinwände. Nicht Foto, nicht Malerei und vor allen Dingen nicht gut, aber auch nicht so schlecht, dass man es als bewusste Irritation begreifen könnte. In den folgenden Räumen Models die in die griechischen Antike zurück versetzt werden, Inszenierung von Hochhausfronten, Champagnerflaschen, Autoteilen und Haarfarben. Einer der letzten Räume bietet Haute Couture Kleider im Original, Modezeichnungen und kleine Modelle von spektakulären Modeschaukulissen. Nicht uninteressant aber doch zu wenig um wirklich ein Gefühl für die Sache zu kriegen.
Ein Problem das die ganze Ausstellung durchzieht, als würde man sich nicht entscheiden können was man essen will und deshalb fünf Gerichte zugleich kochen. Zwei hätten vielleicht noch eine interessante, neue Geschmacksrichtung ergeben, aber so kann man kein einzelnes Aroma mehr richtig heraus schmecken und einige entwickeln auch noch einen bitteren Beigeschmack oder gehen neben den anderen verloren. Lieber Karl, wir wollen dir natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen auch wenn Kohlenhydrate und Fette wahrscheinlich ohnehin tabu sind. Allerdings wissen wir das du es besser kannst und in dieser Masse, geht nun mal die Klasse verloren.