Dr. Uwe Schramm, Text zur Ausstellung „Oliver Ross, Anna Szermanski“
Die gebürtig aus Polen stammende Meisterschülerin der Kunstakademie Düsseldorf beschäftigt sich in ihren jüngsten Arbeiten mit der Folklore ihres Herkunftslandes. Mit flächig gestalteten, lebensgroß dimensionierten Tafeln erscheinen farbenprächtige Motive, die bestimmte Gestaltungselemente graphisch reduziert und abstrahiert zur Darstellung bringen. Mit einem Brückenschlag finden die biographisch gefärbte Vergangenheit der Künstlerin und ihre kulturelle Prägung mit dem großen abstrakten Weltgeschehen und dem Kreislauf allen Lebens zueinander. In den letzten Jahren beschäftigte sich Anna Szermanski intensiv mit der Kultur und der ornamentalen Formsprache polnischer Folklore. Die Frage „Wo komme ich her, wo gehe ich hin?“ ist von zentraler Bedeutung in ihrer künstlerischen Arbeit. Die Arbeiten stehen für ihren persönlichen Kreislauf, wie auch für den Kreislauf des Lebens allgemein und stellen Fragen nach Einheit und Individualität, Symbiose und Gegensatz, und letztendlich nach Ursprung und Ende. Der Blick Anna Szermanskis dringt dabei durch die Oberfläche und äußere Hülle des Lebens zu den Bauprinzipen der Körper, die damit einerseits jegliche Individualität verlieren, andererseits aber zu Symbolen vitaler Zusammenhänge werden, indem Sie symbolhaft den Kreislauf des Werdens und Vergehens allen Lebens visualisieren. Menschliche Skelette werden dabei auf ihre formalen Ausdruckswerte reduziert und mit floralen sowie vegetabilen Formen kombiniert, woraus sich letztendlich ein graphisches Muster ergibt, das jegliche Form von ursprünglichem Schrecken oder Morbidität für immer verloren hat und dem Betrachter als lustvoll gestaltetes, farbenkräftiges Ornament entgegentritt. Die besondere Art der Präsentation dieser Malerei, die auf dem Boden liegend gezeigt wird, ist dabei durchaus außergewöhnlich. Manches erinnert dabei an archäologische Ausgrabungsfelder oder altertümliche Grabplatten. Und es sind gerade diese Momente des Erinnerns, die der farbkräftigen Malerei von Anna Szermanski eine besondere Tiefe verleihen.
Robert Fleck, Katalog zur Ausstellung „Sugar- Positionen aus der Klasse Katharina Fritsch“
In der sechsteiligen Wandarbeit „ROH“ stellt Anna Szermanski die Dreidimensionalität hinter ihren radikal zweidimensionalen Motiven ornamentalen Charakters dadurch her, dass sie sie, zum Teil als auf einzelne geometrische Felder beschränkte Fragmente, auf monochromen weißen und schwarzen Flächen präsentiert, die ihrerseits eine Tiefenwirkung herstellen. Wesentliche Elemente der ornamentalen Formen sind traditionellen Trachten polnischer Dorfbewohner entnommen, wobei die Künstlerin diese in ihrer Heimat konservativ bewahrten Formen durch ihre Einarbeitung in ihrerseits wiederum gespiegelte Skelettformen ad absurdum führt oder aus ihnen, sie frei kombinierend, das Rohmaterial eines neuen flächig-linearen Vokabulars macht, das skulpturale Motive zunächst im Zweidimensionalen entwirft.
Dorothee Mosters, Pressetext zur Ausstellung „Sugar- Positionen aus der Klasse Katharina Fritsch“
Muster und Ornament werden in allen Kulturen von Generation zu Generation weiter gegeben. Sie stellen ein Modell von unfigürlicher und non-verbaler Kommunikation dar und zeugen von anonymer und kollektiver Produktivität. Mit Gebräuchen verknüpft, erinnern sie an lokal entwickelte Kulturtechniken und haben eine spezifische erzählerische Form. Die komplexe Tradition ihrer Heimat führt Anna Szermanski (geb. 1986) mit Mitteln der zeitgenössischen Kunst fort: Mit der mehrteiligen Wandarbeit „ROH“ setzt sie eine Neuinterpretation der polnischen Folklore. Die Ornamente, die mit kräftiger Farbgebung auf den Trachten polnischer Dorfbewohner zu finden sind, erfahren eine aktuelle Farbveränderung; ihre formalen Erweiterungen zeigen eine Fortschreibung der konservativ konnotierten Muster.